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Aktuelle Version vom 6. Oktober 2024, 07:01 Uhr

Unter einem Bewertungsverfahren versteht man in der Unternehmensbewertung eine Methode zur Ermittlung des (Unternehmens)wertes.

Übersicht

Bewertungsverfahren
Gesamtbewertungsverfahren Einzelbewertungs-
verfahren
Mischverfahren
Nettoansatz Bruttoansatz
Ertragswert-
verfahren
FTE-Verfahren APV-Verfahren Multiplikator-
verfahren
Substanzwert-
verfahren
Mittelwert-
verfahren
WACC-Verfahren Liquidationswert-
verfahren
Übergewinn-
verfahren
TCF-Verfahren Übergewinn-
verfahren

Die Discounted Cash-Flow-Verfahren sind kursiv gesetzt.

In der Unternehmensbewertung herrscht eine breite Methodenvielfalt. Dabei können unterschieden werden:

  • Gesamtbewertungsverfahren
  • Einzelbewertungsverfahren und
  • Mischverfahren und
  • sonstige Verfahren

Über die Anwendungshäufigkeit der Methoden in der Praxis befassen sich folgende Aufsätze: Nadvornik u.a.: ""Bestandsaufnahmen der aktuellen Unternehmensbewertungslandschaft in Österreich", RWZ 2012/5; Henselmann / Barth: "Übliche Bewertungsmethoden“ – Eine empirische Erhebung für Deutschland", BP 2009, 9; Fischer-Winkelmann / Busch: "Die praktische Anwendung der verschiedenen Unternehmensbewertungsverfahren", FB 2009, 635 u., 715;

Die Judikatur geht vom Begriff der wissenschaftlich oder betriebswirtschaftlich anerkannte Methode aus (so zB VwGH 23.3.2000, 97/15/0112).

Nicht zutreffend ist mE die Aussage, dass infolge des Methodenpluralismus der Unternehmenswert als Mittelwert mehrerer Methoden ermittelt werden muss. (so zB: Barthel (2011)).

Das neue Fachgutachten KFS BW 1 (2014) stellt in Rz. 117 klar, dass verschiedene Methoden zumselben Ergebnis führen müssen (Konsistenz der Bewertungsergebnisse).

Gesamtbewertungsverfahren

Beim Gesamtbewertungsverfahren wird das Unternehmen als Gesamtheit betrachtet und nicht als die Summe der einzelnen Wirtschaftsgüter. Der Unternehmenswert wird aus der künftigen Ertragskraft abgeleitet.[1] Es wird unterschieden zwischen

  • Ertragswertverfahren
  • Discounted Cash-Flow-Verfahren und
  • Vergleichs(=Multiplikator)verfahren

Die beiden ersten Verfahren werden im neuen Fachgutachten KFS/BW 1 (2014) unter dem Begriff Diskontierungsverfahren zusammengefasst und beruhen auf künftigen Erträgen / Zuflüssen, das letztere auf einem Vergleich mit dem Wert von Vergleichsunternehmen.

Ertragswertverfahren

Hauptartikel-> Ertragswertverfahren

siehe auch-> Vereinfachtes Ertragswertverfahren

Beim Ertragswertverfahren wird der Unternehmenswert aus künftigen zu erwartenden Erträgen abgeleitet. Der Diskontierungszinssatz entspricht dem Zins des verschuldeten Unternehmens. Der ermittelte Wert stellt den Marktwert des Eigenkapitals (Nettowert, Equity-Value) dar. Das Ertragswertverfahren stellt eine betriebswirtschaftlich anerkannte Methode dar. Sie wird häufig angewandt, da leicht verständlich und (vermeindlich) ein geringerer Datenbedarf besteht. Dabei wird übersehen, dass das Ertragswertverfahren auf einer integrierten Planung basieren muss.[2]

Basis Erträge können sein:[3]

  • Netto Cash-Flow beim Eigner
  • Netto-Ausschüttung des Unternehmens
  • Einzahlungsüberschüsse des Unternehmens
  • Netto-Einnahmen des Unternehmens
  • Periodenerfolg des Unternehmens

Bei der subjektiven Unternehmensbewertung stellt der Netto Cash-Flow beim Eigner, beim objektivierten Unternehmenswert die Netto-Ausschüttung des Unternehmens die theoretisch richtige Basis der Wertermittlung dar.[4]

Discounted Cash-Flow-Verfahren

Hauptartikel-> Discounted Cash-Flow-Verfahren

Das Discounted Cash-Flow Verfahren ermitteln den Unternehmenswert durch Diskontierung künftiger Cash-Flows. Der Diskontierungszinssatz erfolgt durch eine kapitalmarktorientierte Zinsermittlung (meist CAPM = Capital Asset Pricing Model). Sie ist die von der Wissenschaft bevorzugte Methode.

Methodenübersicht

1. Bruttoverfahren

2. Nettoverfahren

Bei den Nettoverfahren (Ertragswertverfahren, FTE-Verfahren) wird direkt der Marktwert des Eigenkapitals (Net Value) ermittelt. Im Zähler findet sich der Zufluss zu den Eigenkapitalgebern (FtE), im Nenner der Zinssatz des verschuldeten Eigenkapitals.

Bei den Bruttoverfahren (WACC-Verfahren, APV-Verfahren und TCF-Verfahren) wird der Marktwert des Gesamtkapitals ermittelt. Im Zähler finden sich die Cash-Flows die für alle Kapitalgeber zur Verfügung stehen (FCF, TCF), im Nenner je nach Methode der Zinssatz des undverschuldeten Eigenkapital bzw. der WACC. Nach Abzug des Marktwertes des Fremdkapitals erhält man den Marktwert des Eigenkapitals.

Synonyme Bezeichnungen der Verfahren:

Bezeichnung in KFS/BW 1 Synonym mein Vorschlag
APV-Verfahren APV-Verfahren APV-Verfahren
WACC-Verfahren Free-Cash-Flow-Verfahren
Bruttoverfahren
Entity-Approach
DCF-Methode mittels Entity-Ansatzes
WACC-Verfahren
TCF-Verfahren
Bruttoverfahren auf Basis von TCF
TCF-Verfahren
Equity-Ansatz FTE-Verfahren
Nettoverfahren
Equity-Approach
DCF-Methode mittels Equity-Ansatzes
FTE-Verfahren

Übersicht über die Variablen

WACC-Verfahren FTE-Verfahren APV-Verfahren
Bewertungsrelevante Größe FCF FTE FCF Steuervorteil der Fremdfinanzierung
Kapitalkostensatz WACC EK-Zins (verschuldet) EK-Zins (unverschuldet) FK-Zinsen / EK-Zins (unverschuldet)
Bewertungsergebnis Marktwert Gesamtkapital Marktwert Eigenkapital Marktwert GK (reine Eigenfinanzierung) Barwert der Steuervorteile

WACC-Verfahren

Hauptartikel-> WACC-Verfahren

Synonyme:Free-Cash-Flow-Verfahren, Bruttoverfahren, Entity-Approach, DCF-Methode mittels Entity-Ansatzes

Beim WACC-Verfahren wird der jährliche Free-Cash-Flow mit den WACC diskontiert. Die Summe der Barwerte ergibt den Marktwert des Gesamtkapitals, von dem der Marktwert des verzinslichen Fremdkapital abgezogen wird.

Das WACC-Verfahren ist die am häufigsten angewandte DCF-Methode.[5]

FTE-Verfahren

Synonyme: Equity-Ansatz , FTE-Verfahren, Nettoverfahren, Equity-Approach, DCF-Methode mittels Equity-Ansatzes

Hauptartikel-> FTE-Verfahren

Beim FTE-Verfahren wird der Marktwert des Eigenkapitals durch Diskontierung der Flow-to-Equity (FTE) mit dem Zinssatz des verschuldeten Eigenkapitals ermittelt.

APV-Verfahren

Hauptartikel APV-Verfahren

Beim APV-Verfahren wird zunächst der Marktwert des Gesamtkapitals unter der Prämisse der vollständigen Eigenfinanzierung aus dem Free-Cash-Flow ermittelt. Dabei kommt der Zinssatz des unverschuldeten Betriebes zur Anwendung. Aus diesem Barwert und dem Marktwert des nicht betriebsnotwendigen Vermögens wird der Marktwert des unverschuldeten Unternehmens ermittelt. Dazu kommt die Erhöhung des Marktwertes durch die steuerliche Absetzbarkeit der Fremdkapitalzinsen („Tax Shield“). Nach Abzug des Marktwertes des Fremdkapitals erhält man den Marktwert des Eigenkapitals.

TCF-Verfahren

Synonyme: Capital-Cashflow-Ansatz, Total-Cash-Flow-Verfahren, Bruttoverfahren auf Basis von TCF

Beim Total-Cash-Flow-Verfahren wird der Total-Cash-Flow (TCF) (EBIT abzüglich tatsächliche Steuer) mit dem WACC(vor Steuer) diskontiert. Das Ergebnis ist der Marktwert des Gesamtkapitals, von dem der Marktwert des Fremdkapitals abzuziehen ist.

Das TCF-Verfahren ist in KFS BW 1 (2014) nicht als betriebswirtschaftlich anerkannte Bewertungsmethode angeführt. Das Verfahren ist zwar nicht in IDW S1 (2008) angeführt. Sie im im WP-Handbuch (2014) unter Rz. 184ff erläutert und somit in Deutschland eine betriebswirtschaftlich anerkannte Methode.

Vergleichsverfahren (Multiplikatormethode)

Hauptartikel-> Vergleichsverfahren

Bei den Vergleichsverfahren wird der Wert eines zu bewertenden Unternehmens aus Börsenkurswerten oder anderen realisierten Marktpreisen vergleichbarer Unternehmen abgeleitet.

Einzelbewertungsverfahren

Beim Einzelbewertungsverfahren ergibt sich der Unternehmenswert aus der Summe der Werte der einzelnen Wirtschaftsgüter (auch der nicht bilanzierten) abzüglich der Schulden.[6] Die Bewertung zu Einzelwerten ist eine statische Betrachtung.

Arten:

  • Substanzwertverfahren auf Basis von Reproduktionswerten
  • Substanzwertverfahren auf Basis von Liquidationswerten

Substanzwertverfahren auf Basis von Reproduktionswerten

Der Wertansatz richtet sich nach jenem Betrag, der notwendig wäre, um das Unternehmen "nachzubauen". Dabei sind auch die selbstgeschaffenen immateriellen Vermögenswerte einzubeziehen. Es bildet die Kosten der Einzelbeschaffung ab.

Die Methode ist betriebswirtschaftlich nicht anerkannt und hat keine praktische Bedeutung.

Literatur:

Substanzwertverfahren auf Basis von Liquidationswerten

siehe Liquidationswert

Beim Ansatz von Liquidationswerten wird von einer Zerschlagung (Liquidation) des Unternehmens ausgegangen. Ausgangspunkt sind die zu erwartenden Veräußerungserlöse der Wirtschaftsgüter abzüglich der zu begleichenden Schulden. Bei Dauerschuldverhältnissen sind auch die Kosten der Auflösung zu berücksichtigen. Bei länger währenden Liquidationen ist auf den Barwert abzustellen.

Der Liquidationswert stellt die Untergrenze des Unternehmenswertes dar, sofern sofern der Liquidation nicht rechtliche oder tatsächliche Zwänge entgegenstehen. [7] Ansonsten ist diese Methode betriebswirtschaftlich nicht anerkannt.

Mischverfahren

Hauptartikel-> Mischverfahren

Die Mischverfahren sind Kombinationen aus Gesamt- und Einzelbewertungsverfahren. Diese konzeptionelle Vermischung hat zur Ablehnung dieser Verfahren geführt. Die Mischverfahren stellen keine betriebswirtschaftlich anerkannte Methoden dar.

Methoden:

  • Mittelwertverfahren
  • Übergewinnverfahren

Mittelwertverfahren

Hauptartikel-> Mittelwertverfahren

Beim Mittelwertverfahren wird der Unternehmenswert als Mittelwert aus Substanz- und Ertragswert ermittelt. Letzterer basiert i.d.R. auf den vergangenen Periodenergebnissen. Das wohl bekannteste Beispiel für ein Mittelwertverfahren ist das Wiener Verfahren.

Allgemeine Formel: Unternehmenswert = (a · Ertragswert + b · Substanzwert)/(a+b)

Übergewinnverfahren

Hauptartikel-> Übergewinnverfahren

Das Übergewinnverfahren geht von der Überlegung aus, dass Unternehmen langfristig nur eine Normalverzinsung des eingesetzten Kapitals realisieren können. Dies wird durch den Zugang von Konkurrenten auf den Markt begründet. Der kurzfristig erzielbare Übergewinn stellt die Differenz zwischen dem tatsächlichen Gewinn und der Normalverzinsung dar. Die Nachhaltigkeit laut Fachgutachten 45 der KWT vom 14.12.1971 wurde bei einem subjektbezogenen Firmenwert mit 3-5 Jahren und einem objektbezogen Firmenwert mit 5-8 Jahren angenommen.

sonstige Verfahren

Bei Wikipedia finden sich noch folgende Methoden:

Praktikermethoden

Eine Praktikermethode ist eine in der Praxis verbreitete Methode, die kein theoretisches Grundgerüst aufweisen kann. Ist diese Methode in einer bestimmten Branche üblich (zB Umsatzmultiplikator bei den rechtsberatenden Berufen) spricht man von branchenüblicher Methode.

Gemäß § 11 Abs 2 Satz 2 dBewG kann neben einer Schätzung auf Basis des Ertragswertes auch auf Basis einer anerkannten, auch im gewöhnlichen Geschäftsverkehr für nichtsteuerliche Zwecke üblichen Methode ermittelt werden, wenn ein Erwerber der Bemessung des Kaufpreises diese Methode zugrunde legen würde. Eine vom Bayerischen Staatsministerium der Finanzen erstellte Aufstellung branchenüblicher Bewertungsmethoden umfasst 53 Seiten und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.[8]

Steuerliches Bewertungsverfahren

siehe auch-> Vereinfachte Wertfindung, Bewertung (Begriff)

Als steuerliches Bewertungsverfahren bezeichnet man in der Literatur jene Methoden, die ausschließlich für steuerliche Zwecke angewandt werden.

Es sind dies:

Neben der vereinfachten Methode, sind auch hinsichtlich der Dokumentation und des Gutachtens Vereinfachungen vorgesehen.

Unterlagen:

Wertfindungsmethode

In der vereinfachten Wertfindung nach KFS/BW1 E5 (2017) wird die Bewertungsmethode als Wertfindungsmethode bezeichnet. Ansonsten bestehen keine Unterschiede.

Literatur

Fachgutachten

  • KFS/BW 1, Rz. 16ff, 19ff, 31ff;
  • IDW S1, Rz. 101ff;

Fachliteratur

  • Bachl (2015), 10 ff
  • Barthel (2011)
  • Ihlau ua (2013), 38 ff
  • Mandl / Rabel (1997), S. 28 ff
  • WP-Handbuch II (2014), Rz. A 147 ff
  • )mwN

siehe auch Liste der verwendeten Literatur

Unterlage(n)

Weblinks

Einzelnachweise

  1. vgl. Mandel/Rabel (1997), S. 31
  2. vgl. Rz. 58 KFS BW 1 (2014)
  3. vgl. Mandl / Rabel (1997), S. 33ff
  4. Hager: Unterlage Ertragsertverfahren (in Vorbereitung)
  5. vgl. Nadvornik ua (2012)
  6. vgl. Mandel/Rabel (1997), S. 46
  7. Rz. 13 KFS BW 1 (2014)
  8. Hager (2021), S. 674.