Vereinfachtes Ertragswertverfahren

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Das vereinfachte Ertragswertverfahren ist eine in § 199 (d)BewG geregelte Ermittlung des Unternehmenswertes. Methodisch stellt es ein Gesamtbewertungsverfahren dar.

siehe auch-> Bewertungsverfahren


Bedeutung

Das vereinfachte Ertragswertverfahren wurde als Nachfolger des Stuttgarter Verfahrens eingeführt. Es wird in der Fachliteratur kritisiert. Die Judikatur hat sich noch nicht damit befasst. Ursprünglich war das Verfahren nur für erbschaft- und schenkungssteuerliche Zwecke vorgesehen, kann aber nun auch für ertragsteuerliche Zwecke verwendet werden.[1]

Anwendungsmöglichkeiten:[2]

Bei offensichtlich unrichtigen Ergebnissen darf das vereinfachte Ertragswertverfahren nicht angewandt werden.[3]

Nicht anzuwenden bei:[4]

  • komplexen Strukturen verbundener Unternehmen,
  • neu gegründeten Unternehmen (junge Unternehmen)
  • bei Branchenwechsel eines Unternehmens sowie
  • sonstigen Fällen, in denen aufgrund besonderer Umstände der vergangenheitsbezogene Jahresertrag für die Zukunft nicht repräsentativ ist.

Ob das vereinfachte Ertragswertverfahren anwendbar ist, ergibt sich aus dem Entscheidungsbaum der OFD Münster u Rheinland (2007)[5].

Prinzipien

Ein Vergleich zwischen den Bewertungsprinzipien des vereinfachten Ertragswertverfahrens und des Ertragswertverfahren nach IDW S 1 zeigt folgende Gemeinsamkeiten und Unterschiede:

vereinfachte Ertragswertverfahren Ertragswertverfahren nach IDW S 1
Methodischer Ansatz Vergleich der Erträge mit einer Alternativanlage am Kapitalmarkt detto
Zeitbezug der Erträge Durchschnitt der letzten 3 Jahre Zukünftig zu erwartende Erträge
Basiszinssatz Einheitlich p.a. Stichtagsbezogen
Risikozuschlag Einheitlich 4,5% (ab 2016 fixer Kapitalisierungsfaktor) Betriebsindividuell
Erfassung der Besteuerung der Kapitalgesellschaft Ertragsteuerbelastung mit 30% pauschaliert Detailplanungsphase: auf Basis der unternehmensindividuellen Planung (ohne Planung sachgerechte Prämissen) Ewige Rente: Äquivalent zu Alternativanlage
Erfassung der Besteuerung der Anteilseigner Besteuerung der Ausschüttung mit Abgeltungssteuer Sog. mittelbare Typisierung des Anteilseigners (Besteuerung der Ausschüttung identisch mit Besteuerung der Alternativanlage, im Ergebnis kein Einbezug.
nicht betriebsnotwendiges Vermögen gemeiner Wert Liquidationswert abzüglich beim Verkauf anfallender Ertragsteuer
junges Betriebsvermögen Gesonderter Ansatz mit dem gemeinen Wert (Gefahr: Doppelerfassung) Erfassung mit den zu erwartenden Erträgen (keine Doppelerfassung)

Ermittlung

Der Unternehmenswert wird aus dem Ertragswert abgleitet. Bestimmte Positionen (nicht betriebsnotwendiges Vermögen, Beteiligungen an anderen Gesellschaften und junges Betriebsvermögen) sind gesondert zu ermitteln und hinzuzurechnen.

Der Substanzwert ist als Mindestwert zu beachten. Paketzuschläge sind zu beachten.

Ertragswert des betriebsnotwendigen Vermögens (Jahresertrag x Kapitalisierungsfaktor)
+ Nettowert des nicht betriebsnotwendigen Vermögens
+ Wert der Beteiligungen an anderen Gesellschaften
+ Nettowert des jungen Betriebsvermögen
= Wert nach dem vereinfachten Ertragswertverfahren

Ertragswert des betriebsnotwendigen Vermögens

Der Wert des betriebsnotwendigen Vermögens ergibt sich aus dem (durchschnittlichen) Jahresertrag multipliziert mit dem Kapitalisierungsfaktor.

Jahresertrag

Der Ertragswert basiert auf dem zukünftig nachhaltig zu erzielenden Jahresertrag. Dieser wird idR aus dem Durchschnitt der Betriebsergebnisse der letzten 3 Jahre abgeleitet.[6]

Bei Rumpfwirtschaftsjahren wird das letzte volle Geschäftsjahr einbezogen. Ist das am Bewertungsstichtag noch nicht abgelaufene Wirtschaftsjahr für die Herleitung des künftig zu erzielenden Jahresertrages von Bedeutung, ist es mit einzubeziehen (nicht zeitanteilig, sondern mit dem vollen Betriebsergebnis).[7]

Der Vergleichszeitraum kann auf 2 Jahre verkürzt werden, wenn das Unternehmen weniger als 3 Jahre besteht oder das erste Jahr nicht mehr repräsentativ ist, der Vergleichszeitraum darf nicht weniger als 2 Jahre erfassen.[8]

Die Betriebsergebnisse der einzelnen Jahre werden einzeln berechnet und der Durchschnitt gebildet.

Ausgangspunkt ist der steuerliche Gewinn. Bei Personengesellschaften bleiben Ergebnisse aus Sonder- und Ergänzungsbilanzen außer Ansatz. Durch Kürzungen und Hinzurechnungen wird der Gewinn um die gesondert zu erfassenden Komponenten (Beteiligungen, nicht betriebsnotwendiges Vermögen) und ungewöhnliche Vermögensänderungen berichtigt.

Wichtig ist die Berücksichtigung eines Unternehmerlohnes, sofern dieser nicht berücksichtigt wurde.[9] Ebenso sind fiktive Lohnaufwendungen für unentgeltlich tätige Familienangehörige abzuziehen.

Wirtschaftlich nicht begründete Vermögensvermehrungen / -minderungen (zB überhöhte Gehälter für Gesellschaftergeschäftsführer) sind auszuneutralisieren.[10]

Ermittlung Jahresertrag [11]

Gewinn gem. § 4 Abs. 1 (d)EStG
+ Investitionsabzugsbeträge, Sonder-AfA oder erhöhte Absetzungen, Bewertungsabschläge, Zufüh-rung zu steuerfreien Rücklagen sowie Teilwertabschreibungen
+ AfA auf Firmenwert u. firmenwertähnliche WG
+ einmalige Veräußerungsverluste sowie außerordentliche Aufwendungen
+ Ertragsteueraufwand
+ Aufwendungen im Zusammenhang mit Vermögen iSd § 200 Abs 2 u 4 (d)BewG (nicht betriebs-notwendiges Vermögen oder junges Vermögen)
+ übernommene Verluste aus Beteiligungen
= Zwischensumme nach Hinzurechnungen
- Gewinnerhöhende Auflösung steuerfreier Rücklagen
- einmalige Veräußerungsgewinne sowie außerordentliche Erträge
- im Gewinn enthaltene Investitionszulagen (soweit in Zukunft keine Investitionen im vergleichbaren Umfang vorgenommen werden)
- Angemessener Unternehmerlohn, sofern noch nicht berücksichtigt
- Erträge aus Erstattung von Ertragsteuern
- Erträge im Zusammenhang mit Vermögen iSd § 200 Abs 2 - 4 (d)BewG (nicht betriebsnotwendi-ges Vermögen, Beteiligungen oder junges Vermögen)
+/- wirtschaftlich nicht begründete Vermögensminderungen / -vermehrungen
= Zwischensumme nach Hinzurechnungen und Kürzungen
- 30% pauschale Ertragsteuer
= Jahresertrag

Kapitalisierungsfaktor

Der Kapitalisierungsfaktor wurde ursprünglich als Kehrwert des Diskontierungszinses bestehend aus einem jährlich verlautbarten Basiszins und einem Zuschlag von 4,5% ermittelt. Seit 1.1.2016 wird der Kapitalisierungsfaktor verlautbart.

Übersicht: [12]

Basiszins Zuschlag Summe Faktor
2007 4,02% 4,50% 8,52% 11,7370
2008 4,58% 4,50% 9,08% 11,0132
2009 3,61% 4,50% 8,11% 12,3304
2010 3,98% 4,50% 8,48% 11,7924
2011 3,43% 4,50% 7,93% 12,6103
2012 2,44% 4,50% 6,94% 14,4092
2013 2,04% 4,50% 6,54% 15,2905
2014 2,59% 4,50% 7,09% 14,1043
2015 0,99% 4,50% 5,49% 18,2149
2016 [13] 1,10% 4,50% 5,60% 17,8571
ab 2016 13,7500

Nettowert des nicht betriebsnotwendigen Vermögens

Das nicht betriebsnotwendige Vermögen iSd § 200 Abs. 2 (d)BewG umfasst diejenigen Wirtschaftsgüter, die sich ohne Beeinträchtigung der eigentlichen Unternehmenstätigkeit aus dem Unternehmen herauslösen lassen, ohne dass die operative Geschäftstätigkeit eingeschränkt wird.[14]

Diese Definition entspricht sinngemäß der in der Unternehmensbewertung allgemein üblichen Begriffsbestimmung.

Das nicht betriebsnotwendige Vermögen und die damit im Zusammenhang stehenden Schulden sind gesondert mit dem gemeinen Wert zu erfassen. Die damit im Zusammenhang stehenden Aufwendungen und Erträge sind in der Ertragsermittlung zu neutralisieren.[15]

Beispiele:

  • Grundstücke
  • Kunstgegenstände
  • Beteiligungen
  • Wertpapiere, Geld

Wert der Beteiligungen an anderen Gesellschaften

Anteile an einer Kapital- und an einer Personengesellschaft sind gesondert mit einem eigenständig zu ermittelnden gemeinen Wert anzusetzen.[16]

Die Wertermittlung der Beteiligungen kann sowohl im vereinfachten Ertragswertverfahren als auch in einer anderen anerkannten Methode erfolgen. Die mit den Anteilen an einer Kapitalgesellschaft in wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden Schulden werden nicht gesondert berücksichtigt. Finanzierungsaufwendungen im Zusammenhang mit diesen Schulden sind bei Ermittlung des Ergebnisses der Obergesellschaft ebenso zu neutralisieren wie die Ausschüttungen.[17]

Nettowert des jungen Betriebsvermögens

Wirtschaftsgüter und damit im Zusammenhang stehende Schulden sind gesondert zu bewerten, wenn sie in den letzen zwei Jahren eingelegt wurden. Die Bestimmung des § 200 Abs. 4 (d)BewG soll der Verhinderung von Missbrauch dienen, damit nicht Wirtschaftsgüter mit geringer Rentabilität den Unternehmenswert mindern.[18]

Substanzwert

siehe auch-> Substanzwert

Sofern die Werte nicht aus Börsenkurswerten oder zeitnahen Transaktionen ermittelt werden, ist gem. § 11 Abs. 2 Satz 3 (d)BewG die Summe der gemeinen Werte der Wirtschaftsgüter abzüglich der Schulden als Mindestwert anzusehen.[19]

Paketzuschlag

Sofern der Wert von Kurswerten oder aus zeitnahen Verkäufen abgeleitet wird, kommt die Berücksichtigung von Paketzuschlägen in Betracht, nicht jedoch bei Ableitung nach dem vereinfachten Ertragswertverfahren oder einer anderen anerkannten betriebswirtschaftlichen Methode.[20]

Literatur

Gesetz

  • (d)BewG

Erlässe

  • AEBewAntBV (2011)
  • BayLASt (2017)
  • ErbStR (2019)
  • OFD Münster u Rheinland (2007)

Fachliteratur

  • Fleischer / Hüttemann (2015)
  • Ihlau / Duschka (2019)
  • Rössler / Troll (2020)
  • Petersen u.a. (2013)

Unterlage(n)

Tabellen

siehe auch -> Liste der verwendeten Gesetze und Erlässe, Liste der verwendeten Literatur,

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Fleischer / Hüttemann (2015), S. 937
  2. Vgl. Rössler / Troll (2020), § 200 Rz. 1
  3. Rössler / Troll (2020), § 199 Rz. 9
  4. Fleischer / Hüttemann (2015), S. 949 und Rössler / Troll (2020), § 199 Rz. 12 ff
  5. Vgl. Hager(vereinfachtes Ertragswertverfahren), Anhang
  6. Ihlau / Duschka (2019), S. 67 f
  7. Ihlau / Duschka (2019), S. 68
  8. AEBewAntBV (2011), Abschn. 21 Abs. 2.
  9. Rössler / Troll (2020), § 201 Rz. 8
  10. Rössler / Troll (2020), § 201 Rz. 9
  11. Rössler / Troll (2020), § 202 Rz. 3 (dort missverständlich als Betriebsergebnis bezeichnet
  12. Aus BayLASt (2017)
  13. Für Stichtage vom 1.1. bis 30.6. auf Antrag
  14. Vgl. AEBewAntBV (2011), Abschn. 20 Abs. 2
  15. Rössler / Troll (2020), § 200 Rz. 3
  16. Vgl. AEBewAntBV (2011), Abschn. 20 Abs. 3
  17. Vgl. AEBewAntBV (2011), Abschn. 20 Abs. 3
  18. Rössler / Troll (2020), § 200 Rz. 11
  19. Vgl. Ihlau / Duschka (2019), S. 67
  20. Vgl. AEBewAntBV (2011), Abschn. 7 Abs 1