Grundsätze ordnungsmäßiger Unternehmensbewertung

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Die Grundsätze ordnungsmäßiger Unternehmensbewertung sind ein System von Bewertungsnormen; sie sollen Anleitung zu zweckentsprechender Unternehmensbewertung geben, und sie sollen, vor allem, die von Bewertungen Betroffenen (zB Gutachtensadressat wie den Bewerter (Gutachter) selbst schützen: den Bewerter vor den Folgen von Kunstfehlern, die von Bewertungen Betroffenen vor aus falschen Bewertungsmethoden resultierenden wirtschaftlichen Nachteilen. [1]

Die Grundsätze ordnungsmäßiger Unternehmensbewertung stellen die fundamentalen Prinzipien der Unternehmensbewertung dar.

Bedeutung

Die Grundsätze ordnungsmäßiger Unternehmensbewertung sind von zentraler Bedeutung, bei einem Verstoß ist die Verwertbarkeit des Gutachtens zu hinterfragen. Grundlagen für die Grundsätze sind die betriebswirtschaftliche Wissenschaft, die Praxis der Unternehmensbewertung die einschlägigen Fachgutachten und die Rechtsprechung.

Übersicht

Die Grundsätze lassen sich nach verschiedenen Kriterien und unterschiedlich detailliert aufstellen. Am umfangreichsten wurde dies von Moxter (1990) vorgenommen. Diese und weitere sind bei Petersen u.a. (2013), S. 84 ff dargestellt. Nicht alle in der Literatur angeführten Kriterien können hier angeführt werden.

Grundsätze der Unternehmensbewertung:

Maßgeblichkeit des Bewertungszwecks

Hauptartikel-> Maßgeblichkeit des Bewertungszwecks

Nach dem Prinzip der Maßgeblichkeit des Bewertungszwecks (Zweckadäquanzprinzip) bestimmt der Bewertungszweck die Vorgangsweise bei der Unternehmensbewertung, insbesondere die Auswahl des geeigneten Bewertungsverfahrens und die Annahmen hinsichtlich Planung und Diskontierung der künftigen finanziellen Überschüsse.[2]

Eine sachgerechte Unternehmenswertermittlung setzt daher voraus, dass im Rahmen der Auftragserteilung der Bewertungszweck und die Funktion, in der der Wirtschaftstreuhänder tätig wird, festgelegt werden.

Mit einem Bewertungsanlass können unterschiedliche Bewertungszwecke verbunden sein. Im Auftrag ist festzulegen, welchem Zweck das Gutachten dient. Für die Nachprüfbarkeit des Gutachtens ist der Bewertungszweck im Gutachten zu dokumentieren. Dadurch wird deutlich, dass die Berechnungen nur in dem dargestellten Beziehungskomplex gelten.

Bei normorientierten Unternehmensbewertungen ist der Grundsatz der Maßgeblichkeit der rechtlichen Wertungen zu beachten.

In der Literatur werden weitere Grundsätze angeführt, die als Subprinzipien zu betrachten sind:

Subjektivitätsprinzip (Individualitätsprinzip)

siehe auch-> Eigentümerbezogenheit

Das Subjektivitätsprinzip (Individualitätsprinzip) erfordert eine umfassende Einbeziehung aller individuellen Bewertungsfaktoren in die Entscheidungswertermittlung. Dazu gehören etwa die Berücksichtigung der vom konkreten Bewertungssubjekt beabsichtigten Form und Konzeption der Unternehmensfortführung, die Berücksichtigung individueller Zielvorstellungen und Präferenzen, z.B. in Bezug auf Ausschüttungen oder Entnahmen, die Berücksichtigung individueller Synergieeffekte, der individuellen Risikoeinschätzung, der individuellen Besteuerungswirkungen u.v.a.m. Nur wenn sämtliche Bewertungsfaktoren den individuellen Einschätzungen und Gegebenheiten des Bewertungssubjekts entsprechen, kann ein zutreffender Entscheidungswert ermittelt werden.[3]

Bücher:

  • Aschauer / Purtscher (2011), S. 95;
  • Mandl / Rabel (1997), S. 72 f;
  • Moxter (1990), S. 138 ff;

Objektivierungsprinzip

Das Objektivierungsprinzip bringt zum Ausdruck, dass bei der Ermittlung objektivierter Unternehmenswerte die individuellen Verhältnisse einzuschränken sind (Entsubjektivierung, Typisierung).[4]

Die erforderlichen Objektivierungen können sich an rechtlichen Vorgaben oder Marktgegebenheiten orientieren, dementsprechend wird der objektivierte Wert zum Normwert oder Marktwert. [5]

Das Objektivierungsprinzip kann auch das Gebot an den Gutachter sein, die Bewertung frei von Einseitigkeiten und ohne Bewerterermessen vorzunehmen.

Bücher:

  • Moxter (1990), S. 38, 87 f;

Stichtagsprinzip

Hauptartikel-> Stichtagsprinzip

Unternehmenswerte sind zeitpunktbezogen auf den Bewertungsstichtag zu ermitteln. Der Bewertungsstichtag ergibt sich aus dem Auftrag oder aus vertraglichen oder rechtlichen Regelungen.[6]

Ziel des Stichtagsprinzips ist, dass kein fiktives Gebilde, sondern das reale Unternehmen bewertet wird. Deshalb werden die erwartenden finanziellen Überschüsse mit den zu erwartenden Zinssätzen diskontiert.

Unbeachtlichkeit des (bilanziellen) Vorsichtsprinzips

Hauptartikel-> Unbeachtlichkeit des Vorsichtsprinzips

Das in den unternehmensrechtlichen Rechnungslegungsvorschriften enthaltene Vorsichtsprinzip ist bei der Unternehmensbewertung nicht zu beachten. Chancen und Risiken werden in der Unternehmensbewertung gleichermaßen einbezogen. Die finanziellen Überschüsse sind realistisch zu planen.

Berücksichtigung von Transaktionskosten und transaktionsbedingten Ertragsteuerwirkungen

Hauptartikel-> Berücksichtigung von Transaktionskosten und transaktionsbedingten Ertragsteuerwirkungen

Transaktionskosten und transaktionsbedingten Ertragsteuerwirkungen sind nur beim subjektiven nicht jedoch beim objektivierten Unternehmenswert zu beachten.

Bewertung der wirtschaftlichen Unternehmenseinheit

Hauptartikel-> Bewertung der wirtschaftlichen Unternehmenseinheit

Das Bewertungsobjekt ist gegebenenfalls in Bewertungseinheiten (wirtschaftliche Unternehmenseinheit) zu teilen. Bewertungseinheiten sind hinsichtlich Risken und Wachstumschancen homogen.

Ergänzende Prinzipien:

Richtlinie:

  • KFS/BW 1 Rz. 7;
  • IDW S1 Rz. 18 ff;

Bücher:

  • Bachl (2006), S. 34,
  • Großfeld u.a. (2020), Rz. 215 ff;
  • Ihlau / Duscha (2019), S. 74 f;
  • Peemöller (2019), S. 34;
  • WPH-Edition (2018), Tz. A 72;

Unterlage:

  • Grundsätze, S. 6 ff;

Gesamtbewertungsprinzip

Hauptartikel-> Gesamtbewertungsprinzip

Nur Unternehmenswerte die nach dem Gesamtbewertungsverfahren ermittelt wurden, sind betriebswirtschaftlich fundiert.

Bücher:

  • Fleischer / Hüttemann (2015), S. 94;
  • Großfeld u.a. (2020), Rz. 215 ff;
  • Moxter (1990), S. 33 ff, 171;
  • Petersen u.a. (2013), S. 102;

Unterlage:

  • Grundsätze, S. 7;

Verbundberücksichtigungsprinzip

Das Verbundberücksichtigungsprinzip fordert die Berücksichtigung von Synergien d.h. Verbundeffekten. Dabei sind neben den unechten auch die echten Synergien zu berücksichtigen.

Die Berücksichtigung von Verbundeffekten kann sich aus dem Bewertungszweck aber auch aus dem Bewertungsobjekt ergeben, so sind bei einer Konzernbewertung Synergien zu beachten.[7]

Das Verbundberücksichtigungsprinzip steht im Gegensatz zum Prinzip der Eigenständigkeit.

Bücher:

  • Fleischer / Hüttemann (2015), S. 99;
  • Moxter (1990), S. 91 ff;
  • Peemöller (2019), S. 925;

Unterlage:

  • Grundsätze, S. 7 f;

Prinzip der Eigenständigkeit (Stand-Alone-Prinzip)

Hauptartikel-> Stand-alone-Betrachtung

Nach dem Prinzip der Eigenständigkeit (Stand alone-Prinzip) ist für die Wertermittlung der Wert des Bewertungsobjektes an sich, ohne echte Synergien maßgeblich .

Bewertung des betriebsnotwendigen Vermögens

Hauptartikel-> Bewertung des betriebsnotwendigen Vermögens

Das betriebsnotwendige Vermögen umfasst die Gesamtheit der immateriellen materiellen Gegenstände sowie Schulden, die dem Unternehmen für seine Leistungserstellung notwendigerweise zur Verfügung stehen. Sie sind in ihrer Gesamtheit zu bewerten. Die Bewertung erfolgt aus den künftigen finanziellen Überschüssen. Diese werden auf den Barwert diskontiert.

Subprinzipien:

Kapitalwertprinzip

Hauptartikel-> Kapitalwertprinzip

Der Unternehmenswert stellt den Barwert der künftigen finanziellen Überschüsse dar.

Zukunftsbezogenheitsprinzip

Hauptartikel-> Zukunftsbezogenheitsprinzip

Das Zukunftsbezogenheitsprinzip bezeichnet den Bezug auf die künftigen finanziellen Überschüsse.

Bewertung des nicht betriebsnotwendigen Vermögens

Hauptartikel-> Bewertung des nicht betriebsnotwendigen Vermögens

Das nichtbetriebsnotwendige Vermögen ist gesondert vom betriebsnotwendigen Vermögen mit dem Liquidationswert, oder (selten) dem höheren Zukunftserfolgswert (Fortführungswert) zu bewerten.

Sonstige Prinzipien

Äquivalenzprinzipien

Hauptartikel-> Äquivalenzprinzipien

Unter Äquivalenzprinzipien versteht man jene Grundsätze die eingehalten werden müssen, damit das Bewertungsobjekt Unternehmen mit dem Vergleichsobjekt "sichere Anlage" verglichen werden können.

Komplexitätsreduktion

Hauptartikel-> Komplexitätsreduktion

Durch die Komplexitätsreduktion sollen die vielfältige Einflussgrößen, die auf das Unternehmen einwirken, für die Unternehmensbewertung auf die wesentlichen Faktoren reduzert werden.

Grundsatz der Wesentlichkeit

Der Grundsatz der Wesentlichkeit (Wirtschaftlichkeit) bedeutet, dass man nicht alle Informationen besorgen und berücksichtigten muss. Die Grenzen sind zu ziehen, wo die Zusatzkosten der Informationsbeschaffung den Zusatznutzen der Genauigkeit übersteigen.[8]

Der Grundsatz der Wesentlichkeit ist in den Fachgutachten nicht normiert, aber in der Literatur angerkannt.

Bücher:

  • Knabe (2012), S. 48 f;
  • WPH-Edition (2018), Tz. A 380, K 18;

Unterlage(n)

  • Grundsätze, S. 11;

Nachvollziehbarkeit der Bewertungsansätze (Klarheit der Berichterstattung)

Hauptartikel-> Nachvollziehbarkeit

Der Grundsatz der Nachvollziehbarkeit (Klarheit der Berichterstattung) bedeutet, dass ein Unternehmensbewertungsgutachten so aufzubauen ist, dass die Wertermittlung einem sachkundigen Dritten innerhalb eines angemessenen Zeitraumes begreiflich sein muss.

Der Gutachter hat deutlich zu machen, auf welchen wesentlichen Annahmen und Typisierungen der von ihm ermittelte Unternehmenswert beruht. Es sollte auch ersichtlich sein, welche der Annahmen vom Gutachter, welche vom zu bewertenden Unternehmen und welche von sachverständigen Dritten stammen.

Dokumentationsprinzip

Hauptartikel-> Dokumentationsprinzip

Die für die Nachvollziehbarkeit erforderlichen Informationen sind tunlichst im Gutachten zu dokumentieren. Welche Informationen erforderlich sind findet sich in der Unterlage (Prüfung eines Gutachtens).

Liquidationstest

Hauptartikel-> Liquidationstest

Liquidationstest bedeutet, dass bei den Diskontierungsverfahren der Liquidationswert die Untergrenze für den Unternehmenswert bildet, sofern der Liquidation nicht rechtliche oder tatsächliche Zwänge entgegenstehen. Der Liquidationstest ist allgemein anerkannt, wird aber nur von Fleischer / Hüttemann (2015) als eigenständiges Prinzip angeführt.

Marktwertvergleich

Beim Marktwertvergleich wird der rechnerische Unternehmenswert mit dem Kurswert verglichen. Dadurch soll verhindert werden, dass berechnete Unternehmenswerte unter dem Marktwert liegen.[9] Dieses Prinzip hat steuerlich keine Bedeutung.

  • )

Richtlinie:

  • KFS/BW 1 Rz. 150;
  • IDW S1 Rz. 133;

Bücher:

  • Fleischer / Hüttemann (2015), S. 99;

Unterlage:

  • Grundsätze, S. 12;

Literatur

Fachgutachten

  • KFS/BW 1 Rz. 22 ff;
  • IDW S1 Rz.17 ff;

Fachliteratur

  • Großfeld u.a. (2020), Rz. 213 ff;
  • Ihlau / Duscha (2019), S. 40 ff;
  • Moxter (1990);
  • Peemöller (2019), S. 31 ff;
  • Petersen u.a. (2013), S. 84 ff;
  • WPH-Edition (2018), Rz. A 70 ff;

Unterlage(n)

Sortiert nach Datum und Dateiname

siehe auch -> Liste der verwendeten Literatur

Einzelnachweise

  1. Moxter (1990), S. 1.
  2. Vgl. KFS/BW1 Rz. 22.
  3. Mandl / Rabel (1997), S. 72.
  4. Vgl. Rabel (2010), S. 515.
  5. Vgl. Aschauer / Purtscher (2011), S. 105.
  6. Vgl. KFS/BW 1 Rz. 23.
  7. Vgl. Meichelbeck in Peemöller (2019), S. 925.
  8. Vgl. Knabe (2012), S. 48 f.
  9. Fleischer / Hüttemann (2015), S. 99